Mütterchen

Gebeugte runzlige hagere Gestalten, fast zahnlos aber lebendigen Blicks, die uns Touristen ein Büschel Maiglöckchen entgegenstrecken, stehen an jeder Ecke in der Innenstadt von Lviv. Heute am Samstag kommen noch unzählige Mütterchen vom Land dazu, auf den Strassen beim Markt in der Nähe des Bahnhofs lassen sie sich dicht an dicht nieder, breiten die Schätze ihres Gartens vor sich aus, Radieschen, Akeleien, duftende Nadelzweige, eingelegte Gurken.


Mütterchen.

Die ganze Stadt scheint heute ein einziger Marktplatz zu sein. Wir geraten wieder in Gemüse- und Fleischhallen, auch hier Schweineköpfe als Thekendeko, beim Gemüse sticht das Rot der Radieschen besonders hervor.


Eine Zigeunerin erhält Fleischreste.

Irgendwo leuchtet die aktuelle Temperatur auf, 29 Grad, es ist heiss und schwül. Mit der Strassenbahn vom Bahnhof zurück in die Stadt, nur Frauen habe ich diese Gefährte hier steuern sehen. Endlich ein kleines Gewitter, sehr angenehm. Allerdings finden das mehrere Brautpaare, die sich auf dem Rynek fotografieren lassen wollen, nicht so sehr.


Scharen eifriger Pfadfinder, die offensichtlich irgendwelche Aufgaben erledigen müssen, kreuzen öfters unseren Weg.

Abends übrigens scheint sich zur Zeit die ganze Stadt mit Kind und Kegel draussen aufzuhalten.

Gefärbte Saat & Schweinekopf

Auf dem Krakauer Markt in Lviv finde ich Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie noch gibt, zum Beispiel Saat für weisse Erdbeeren, die kannte ich nur von alten Gemälden. Oder manuelle Küchengeräte, flotte Minnas mit Aufsatzersatz, Sprungfeder-Kartoffelstampfer usw.


Eine Halle voll Obst und Gemüse.


Allein die Saatgutabteilung umfasst mindestens ein Dutzend Stände.


Die blaue Saat ist gefärbte Möhre, wenn ich der Händlerin glauben darf.


Hier die weissen Erdbeeren.


In der Fleischhalle ist heute nicht so viel los, laut Reiseführer samstags mehr.

Hochsommerlich heiss, nach dem Markt sinken wir ermattet in einem schattigen Strassencafé nieder, stellen offenes Wlan fest, zücken synchron unsere Smartphones und verbinden uns mit dem Rest der Welt, mal schnell nach Mails gucken, was gibt’s Neues von Strauss-Kahn, ich teste ein gps-app.


Auf der anderen Strassenseite dieser Balkon.

Je länger man sitzt, desto träger wird man in der Mittagshitze. Schliesslich raffen wir uns auf, der Lycakiv’ske Friedhof steht noch auf dem Plan.


Hier übrigens auf dem Weg ein typischer vollgestopfter Bus.


Lange wandern wir durch die Grabreihen des seit dem 18. Jhdts bestehenden Friedhofs.


Verwilderte Grabfragmente.

Die russischen Gräber oft mit Skulptur oder mindestens Foto des Verstorbenen, polnische, deutsche, österreichische Grüfte durcheinander, Meyerow, Weberow, Müllerow, Hübnerow…
Ganz oben auf dem Berg dann viele Reihen uniforme Eisenkreuze von 1903 bis in die 1930er Jahre hinein, nur Männer, nur Jahreszahlen, kein genaueres Datum, viele richtig alt geworden. Wir rätseln, bisher ohne Ergebnis, vielleicht finde ich noch was im Netz.


Leben verflogen wie eine Pusteblume. Bevor wir ganz melancholisch werden, kehren wir in die heisse quirlige Stadt zurück.

Gelandet


Lemberg am Flughafen. Was ich nicht merke – ein Mann starrt mich unverwandt an. Bis M. raunt: militärische Anlage, lieber keine Fotos.

Ukraine. Mein Grossvater wuchs hier auf, damals war es Österreich-Ungarn, ein multikulturelles Gemisch aus Ukrainern, Russen, Polen, Juden und einigen Deutschen, zu denen gehörte er, aber die anderen Sprachen beherrschte er genauso.
Lviv heute. Hochsommerlich warm, besonders im ruckligen überfüllten Bus vom Flughafen in die Stadt. Hotel Dnister, Klamotten wechseln und ab in die Stadt, durch den Park voller Studenten, Mütter mit Kindern, alten Leuten, an der Uni vorbei zum Rynek (Marktplatz).


Hier wird Schach gespielt

Wir treffen den Reisebüromenschen, den M. bei seiner letzten Reise schon ausfindig gemacht hatte; er spricht sehr gut deutsch und auch gern, hatte Germanistik studiert, seine Vorfahren waren Priester und Komponisten, über die Geschichte der Ukraine erzählt er auch ein bisschen. 1990 wurde der Staat endlich wieder unabhängig.
Weiter geht es, durch die alte Stadt hin und her, an den Stadtmauern entlang, offenes Wlan findet man häufig. Wir hängen in Cafés herum und surfen, nicht nur die Akkus der Smartphones laufen allmählich ab, auch unsere eigenen.


Buntes Treiben in der Nähe der Oper


Repertoire. Wir könnten uns Aida angucken


Ausserhalb der Stadtmauern, ein Wiener Gullideckel nahebei zeigt die Epoche an.


Hinterhof mit wirklich wunderschön angelegtem Garten, Gesang eines probenden Opernsängers im Hintergrund.

Hier gibt es sehr viel zu entdecken. Aber erst morgen wieder.