Lublin – Alter jüdischer Friedhof

Man kommt nicht rein ohne Schlüssel. Aber wir haben ja Herbert Ulrich kennengelernt, einen Deutschen, der seit über dreissig Jahren hier lebt. Sein Sohn Jozef geht mit uns zur alten Frau Honig und holt den Schlüssel ab. Der Mann von Frau Honig war der letzte Jude Lublins, er hatte aus dem KZ flüchten können und nach dem Krieg die Verwaltung des alten jüdischen Friedhofs übernommen, vor drei Jahren starb er.

Wir stehen im Hausflur und lauschen verständnislos den polnischen Erklärungen der alten Frau über berühmte Steine, Rabbis und Seher.

Jozef kann auch kein Deutsch, aber Englisch und Ukrainisch, seine Muttersprache ist Polnisch. Der Vater Herbert hatte kein Interesse daran, dass seine Kinder zweisprachig aufwuchsen. Jozef hat eine Ukrainerin geheiratet und erzählt, wie die Annäherung von Polen und Ukrainern durch Schengen und Polens EU-Beitritt einen Rückschlag erlitt.

Wir betreten den Friedhof. Von jetzt an höre ich seinen Erklärungen nicht mehr zu. Die ummauerte Wildnis auf dem Hügel mit den zerstörten Grabsteinen dazwischen nimmt mich gefangen.

Eindruck.

Grabsteindetail.

Links brennt eine Kerze.

Ich lerne, Lublin war vor dem Krieg eins der grossen jüdischen Zentren neben Lviv (Lemberg), zu dem auch enge Handelsbeziehungen bestanden, die Hälfte der Lubliner Bevölkerung waren Juden. Und jährlich 200.000 Juden besuchen diese Stadt.

Reste des ehemaligen jüdischen Viertels unterhalb der Burg.

Heisse Blutwurst, Wodka viel

Sie stehen überall – auf dem alten jüdischen Friedhof, in Vorgärten, vor öffentlichen Gebäuden, neben Kirchenruinen. Sie fallen gerade überall runter und sie schmecken gut. Ich glaube, in keiner Stadt gibt es mehr Mirabellenbäume als in Lublin.

Mirabellen.

Der Kern dieser Stadt wird erst langsam restauriert und „schön gemacht“, noch nicht übertüncht und ausgebessert sind die meisten Häuser, die Fassaden atmen matt den Hauch der Geschichte (misslungener Versuch, mich lyrisch ausdrücken).

Am Platz bei der Kirchenruine, im Lokal unten wurde Internetempfang versprochen, aber er funktionierte noch nicht.

Ein unbewohntes Haus im Zentrum.

Und gleich um die Ecke ein prächtig restauriertes Objekt.

Die Warnung, nicht in dunkle Hinterhöfe zu gehen, weil man da leicht ein Messer im Rücken hätte, stachelte uns dazu an, genau das sofort zu tun. Danach folgte uns eine Zeitlang ein junger Typ und rief irgendwas die Wohnungen hoch, aber vielleicht hatte es auch gar nichts mit uns zu tun.

Ein dunkler Hausdurchgang.

Renovierungsbedürftiger Hinterhof.

Detail mit Engel.

Auffällig schön.

Fensterstuck.

Rohr aus Maul.

Tordurchgang.

Die Menschen in dieser Stadt am Ostrand Polens wirken sehr westlich. Auffällig elegant zeigen sich vor allem alte Frauen. Tatsächlich habe ich noch nirgends so viele sorgfältig gekleidete Alte wie in Lublin gesehen.

Schicke alte Frauen.

Und jetzt zum Titel dieses Beitrags: Wodka.
In einem sozialistischen Restaurant gibt es Livemusik-Schnulzen und Tanz für Ältere. Getrunken wird hier viel, getanzt und geprügelt, jedenfalls als wir da sind. Wie im Film – zwei (ältere!) Frauen kriegen sich in die Haare, bespucken sich und kreischen. Die resolute ebenfalls alte Wirtin greift ein, die Kampfhennen räumen den Saal.
Foto machen war leider zu gefährlich.

Und auch zum Titel dieses Beitrags: Blutwurst. Die gibt es gegrillt und danach muss man gaaanz viel Wodka trinken.