Kapverdenkiez

Freitagnachmittag in Lissabon das gleiche Verkehrschaos wie in Berlin. An Station Marquẽs de Pombal ausserdem Gewerkschaftsdemo, die Busse halten woanders, wir ächzen bei tropischer Luftfeuchte einen Kilometer bergan, ah da hält ja gerade der Bus auf der anderen Seite der vierspurigen verstopften Strasse, im Zickzack rufend und winkend rüber rein schweisswischend niederlassen. Bis hinter Benfica an die Stadtgrenze. Dort befindet sich der Kiez von ca. 10.000 Kapverden, wohin uns Raja zum Jubiläum 30 Jahre kapverdischer Club und gleichzeitig 25 Jahre kapverdische Mädchenmusikgruppe (Name vergessen) mitnimmt.

Station Kapverdenkiez (Stac Ruz da Maia, glaub ich).

Fast ausschliesslich Farbige sind hier zu sehen.

Jenseits der Hauptstrasse fast ländlich.

An Nutzgärten entlang geht es wieder steil bergauf.

Buntes Detail.

Ich trau mich nicht, die Kamera auf die Schwarzen zu halten, stattdessen auf ihre Häuser. Es hätte viele tolle Motive gegeben, z.B. den Kindergeburtstag hinter offenen Türen, Mütter mit Babies an der Brust.

In der zur Strasse offenen Räucherei. Raja kennt die Räucherin. Wir kriegen frisch gebratene knusprige Schweineschwarte, echt köstlich, warum gibt es das nicht in Berlin?

Nach der Schweineschwarte haben wir grossen Durst, müssen aber ins Gemeindezentrum, weil Film über Mädchenmusikgruppe jetzt starten soll. Erstmal hält aber portugiesischer Musikwissenschaftler halbstündigen Vortrag über die Gruppe, Unruhe im Saal, Handys klingeln, weshalb manche kichern, laut wird telefoniert, Leute kommen und gehen. Anschliessend technische Probleme, und als der Film dann gerade startet, will jemand Licht ausmachen, dreht aber stattdessen die Hauptsicherung raus.
Der Film zeigt Hintergründe des Entstehens der Gruppe und massenhaft Tanzeinlagen der Frauen, wobei fast ausschliesslich auf weibliche rhythmisch zuckende Hinterteile gehalten wird. Raja erklärt, dass diese Art Tanz eine grosse Kunst ist, denn es gehört die Beherrschung diverser Pomuskeln dazu. Und dass die Frauen vorher ordentlich Zuckerrohrschnaps konsumieren, weshalb sie beim Tanzen in eine Art Trance geraten.
Was wir noch erfahren: den auf die Kapverden gebrachten Sklaven wurde bis zur Unabhängigkeit 1975 von den Portugiesen verboten, ihre eigene Sprache, Kultur, Musik zu gebrauchen; sie konnten das alles nur heimlich ausüben.

Nachher steigen wir am Viadukt in die U-Bahn. Diese Ecke der Stadt hätten wir allein nie kennengelernt.