Ginkgo

So genau und intensiv ich im Garten Wurm, Ameise und Gemüse betrachte, so flüchtig und ungenau guckend laufe ich meist durch die Stadt. Heute aber nicht.
Zum Brotholen über den leeren Kinderspielplatz und den kleinen Park dahinter. Eine alte Frau mit Einkaufsroller klaubte plastikhandschuhbewehrt noch nie gesehene Früchte auf. Massen davon unter zwei Bäumen, wie kleine Mirabellen. Ich hob eine auf, sie war ganz weich und roch schlecht wie alter stinkiger Käse. Etwas wichtig klärte die Alte mich auf, das sei die Frucht des Ginkgobaums, dieses Jahr trügen sie besonders gut, es müssten männliche und weibliche Bäume immer abwechselnd stehen, denn die Pflanze sei zweigeschlechtlich. Und den Kern könne man essen, sie hätte es neulich von einer Japanerin erfahren. Der Baum halte die schlimmsten Umweltsünden aus und werde uns alle überleben. Sie geriet regelrecht ins Dozieren, und ich dachte, dass sie früher mal Lehrerin gewesen sein könnte.


Der Baum.


Die Frucht.

Natürlich sammelte ich auch ein bisschen von diesem seltsamen Baumobst, machte mich in Wikipedia kundig und holte die Kerne aus der übelriechenden Hülle – jetzt stehen sie erstmal hübsch am Küchenfenster.