Blut

„Schon Flecken auf der Tischdecke“, jammerte meine Mutter am Abend vor Weihnachten, „hätte ich sie doch noch mal abgenommen.“ Freudlos und angespannt hatte sie seit unserer Ankunft gewirkt, schwach und schwerfällig und gleichzeitig voll schlechter Energie, und sie hatte mich dadurch ganz kribbelig gemacht.
„Ich kann mir ja mal in den Finger schneiden und ein bisschen Blut auf die Decke tropfen lassen, Härtetest für die neue Waschmaschine: deiner Tochter Blut entfernen.“
Manfred lachte, haha, welche Symbolik. Sie fühlte sich ungerecht angegriffen, das lose Maul der Tochter. Ich so fern aller Steuerungskontrolle, die Grundtraurigkeit über die bittere alte Mutter überdeckt mit hibbeliger Aufgedrehtheit.
Dabei hatte ich gedacht, mit meinen nahezu 50 Jahren den eigenen Älteren gegenüber etwas Gleichmut entwickelt zu haben. Doch immer wieder Unwohlsein, immer wieder Kampf gegen die Mutter. Erschreckend, wenn im hohen Alter nichts Liebenswertes mehr übrigbleibt. Ich kann sie nicht umarmen.
Obwohl diesmal nicht wirklich schlimme Streitigkeiten passierten – es war kein schönes Weihnachten.


Nachtisch im renommierten Felsenkeller, Tante Waltraut hatte die Grossfamilie eingeladen.

7 Gedanken zu „Blut

  1. Ich möchte hier etwas zu bedenken geben.
    Ab einem bestimmten Alter sollte man verinnerlicht haben, dass man in jeder Lebenslage für sein Handeln gerade stehen muss, mit fast 50 Lenzen auf dem Buckel ist der Zenit dieses Lernprozesses allerdings lange überschritten…
    Besonders in den letzten Jahren musste ich immer wieder feststellen, wie wenig diese Generation uns mitgegeben hat die eigentlich für unsere Basis als Heranwachsende verantwortlich zeichnete. (Dies ist eine alte Kiste, sie funktioniert schon seit tausenden von Jahren nicht, allerdings immer nach dem gleichen Schema!)
    Meinen Großeltern ist es zu verdanken, dass sie mich erfahren ließen was Respekt bedeutet.
    Nur jene, die mit ihren Ablegern respektvoll umgehen, können im Alter auch erwarten, dass sie etwas ganz bestimmtes zurückbekommen. Bei den meisten Kids bleibt in dieser Hinsicht nur ein taubes Gefühl übrig, mit dem sie nicht umgehen können, wenn Elternteile darauf bestehen, von dem, was sie niemals gaben auch noch etwas wieder haben wollen.
    Die größte Scheisse bei diesem ungleichen Spielchen ist folgende, dass in aller Regel die Betroffenen zwangsläufig identisch reagieren, gar nicht bemerken, wie sie ihren Erzeugern ähneln und schon die nächste Generation mit ihrem zwischenmenschlichen Unvermögen infiziert haben.
    Hier komme ich mit einem ausgelutschten Spruch: Ein Kind muss eine Basis im Elternhaus bekommen und eine Chance in der Gesellschaft!
    Beides ist zu einer blanken Utopie verkommen! Was ich immer noch als Nachwehen der letzten beiden Kriege in Europa sehe.
    Es wird sich auch nichts mehr ändern, im Gegenteil, denn die kaputten Elternhäusern komplettieren inzwischen „schwer erarbeitete“ gesellschaftliche Vorgaben von Eporkömmlingen (Aufgestiegen wie Phönix vom Bodensatz der hier herrschenden Strukturen), ungebildeten Fachidioten (Ich meine jene eitlen Zeitgenossen, die sich ihr abfragbares Lexikonwissen durch Diplome und Titel bescheinigen ließen), Seilschaften von Kleingeister und Dummschwätzer – aber aller Couleur!

    PS.
    wg. Welchiger Art von Lachen gab sich Don Manfredo hin? Ich werde ihn am Sonntag fragen

  2. REPLY:
    Ich musste mir das von der Seele schreiben, feststellen im wahrsten Sinn des Wortes, aber ich wollte nicht verurteilen. Keine Binsenweisheiten jetzt. Man fragt sich eh, wie man selbst im Alter wird.

  3. Tja, wenn ich jetzt ein pc-infizierter Gutmensch wäre, würde ich es bewenden lassen…
    Schade, da kamst Du zum Luft holen kurz aus Deiner Deckung, um im gleichen Atemzug alles zu relativieren – nach meinem Kommentar.
    Es hätte Dir bestimmt mehr gebracht, wenn Du auf dem Lokus in ein zusammengeknülltes Handtuch geschrien hättest: „Mutti, Du bist ein Arschkeks! Eigentlich warst du immer schon ein großer Arschkeks! – In Zukunft werde ich dir alle Freiheiten dieser Welt gönnen! Ich werde ab heute über den Dingen stehen, du darfst deine merkwürdige Art bis zur Urne weiter ausleben, ohne Reaktion meinerseits…“
    …Man fragt sich eh…
    Diese Frage müsstest du dir eigentlich längst selbst beantworten können, scheust Dich sicher, den Tatsachen ins Angesicht zu schauen?
    ENDE MEINER FUSSNOTE!

    PS.
    Ich musste mir das von der Seele schreiben, feststellen im wahrsten Sinn des Wortes, aber ich wollte nicht verurteilen…

  4. REPLY:
    Dann schiesse ich mal zurück:
    Verwechsle nicht deine Mutter mit meiner. Wir kennen nicht die Mutter des anderen. Ein Detail aus dem jetzigen Leben meiner Mutter wirft zwar ein Licht auf sie, zeigt aber nicht die ganze Person, schon gar nicht, wie sie früher war. Deine Worte gehen hier voll ins Leere.
    Du schreibst von Respekt. Haben deine Grosseltern, die du so verehrst, es nicht geschafft, mit ihrer eigenen Tochter, deiner Mutter, respektvoll umzugehen? Drauf geschissen! Die Sache ist ja wohl vielschichtiger.
    Deine Kommentare sind eingleisig oder Allgemeinplätze, echt langweilig. Und ich hätte mehr von dir erwartet als dummes Nachäffen.

  5. das zk hat gesprochen; nahe an der idee der erbsünde, der logikmangel konnte benannt werden; das fünfte gebot gibt es auch noch und das nimmt keine rücksicht auf die persönliche befindlichkeit.

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