Betonschachteln in Landwirtschaft

Der Stadtteil Alamar liegt im östlichsten Teil Havannas am Meer und gilt als Betonwüste, was er bis zur Spezialperiode vielleicht auch war. Jetzt ist er durchzogen von immer grösser werdenden Organoponicos, also Stadtgärten, in denen Gemüse, Heil- und Zierpflanzen nach ökologischen Kriterien angebaut werden. Weil nach dem Zusammenbruch der UdSSR wegen Blockade kaum noch etwas nach Kuba gelangte, besann man sich auf eigene Ressourcen. Aus echter Not wurde nach westlichen ökolandwirtschaftlichen Gesichtspunkten ein grosser Fortschritt. Darüber gibt es diverse Publikationen, z.B. „Lebendige Gärten – urbane Landwirtschaft in Havanna/Kuba zwischen Eigenmacht und angeleiteter Selbstversorgung“, eine gut lesbare Diplomarbeit von Daniela Kälber.

Der erste Eindruck ist trübe. Doch er trügt.

Auf der Suche nach einem im Reiseführer angegebenen „Jardín de los Afectos“ spazieren wir mit GPS nach Micro X ca. 2 km eine angenehme schattige Landstrasse mit wenig Verkehr entlang. Rechts davon stark befahrene Autopista, links Organoponicos.

Pferd mit Gemüsekarren.

Der Garten mit den skurilen Rostskulpturen ist nicht gleich zu finden. Ein Soldat weiss es auch nicht und fragt drei Mädchen, die im Schatten sitzen und unbestimmt in die Richtung deuten, aus der wir kommen. Fussweg durch die Betonblocks. Jemand bietet im Fensterladen Kaffee an, eine mollige Frau steht mit dem Rücken zu uns am Waschbecken. Als sie sich umdreht, muss ich mich zwingen, sie nicht anzustarren, sie hat graue Haare nicht nur auf dem Kopf, sondern auch eine Wange ist dicht graubehaart wie ein Fell. Sie kennt den Garten der Affekte, weist uns den Weg.

Es mag ja wahr sein, was hier alles so steht, aber an mir ist es vergeudet, mit Sinnsprüchen kann ich nichts anfangen.

Der Künstler ist offenbar auch Sammler. Sogar ein deutsches Autonummernschild aus München ist im Rostgarten auszumachen (nicht im Bild).

Auf einer Seite der Straße sozialistische Wohnblöcke, auf der anderen Landwirtschaft, deren Früchte obendrein direkt vor Ort verkauft werden.

Zurück zum Bus kommen wir an vielen solcher urbanen Gärten vorbei. Die Menschen wirken entspannt und freundlich.
Für Aussenstehende wie mich eine gelungene Mischung aus existenziell sinnvoller urbaner Gartenwirtschaft und einst schnell hochgezogenem Wohnraum.

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